Abendblues

Mein Mann hat derzeit Elternzeit. Wie ich mich darauf gefreut hatte! Endlich Zeit zu dritt, für ihn die Gelegenheit, seine Tochter besser kennenzulernen. Wurde dadurch vieles einfacher? Ja, schon. Manche Sachen wurden aber auch komplizierter. Unsere Beziehung zum Beispiel. Und welche Rollen wer einnehmen will. Soll. Muss.

Nach 15 Tagen Elternpause hat mein Mann heute sein Jahresabschlussgespräch auf der Arbeit. Ausgemacht war, dass er dafür um 10 Uhr in die Firma düst, anschließend mit Kollegen zu Mittag isst und dann heimkommt. Ich stelle mich darauf ein und bin völlig verwundert und auch etwas besorgt, als er um 16 Uhr immer noch nicht daheim ist. Es klingelt das Telefon, Schatz Arbeit ist dran. Warum da nicht Schatz Elternzeit steht will ich wissen. „Naja, alles dauert etwas länger – er würde gebraucht – er wartet noch auf Gespräche – kommt aber bald heim.“ 16:30 Uhr. 17:00 Uhr. 17:30 Uhr.

Um 18:00 Uhr geht die Türe, er kommt rein. Tut ihm leid, alles blöd gelaufen! Während er sich umzieht ruft er mir zu, welche Gehaltserhöhung er für nächstes Jahr rausgehandelt hat und zieht sich schon seine Sneakers an um wieder nach den Schlüsseln zu angeln. Er drückt unserer Minidame einen schnellen Kuss auf und will noch wissen:“Ist doch okay, Schatz, oder, wenn ich mit Ronald  im Pub noch das Pokalspiel schauen gehe?!?“ Und schon ist er wieder weg.

Ich sitze hier mit quengelndem Kind und fühle mich ein bisschen verarscht. Nachdem ich mich den ganzen Tag um den Knirps gekümmert habe, einkaufen war, Wäsche gemacht habe und die Organisation der Weihnachtsgeschenke voran getrieben habe, komme ich nicht umhin mich zu fragen: Sind wir Mütter eigentlich die Idioten für alles?!?!

Einige Tage später treffe ich Melli zum Kochen. Während unsere Kinder auf der Krabbeldecke spielen, stehen wir in der Küche und Melli wettert: „Mirko behauptet, ich würde alles falsch machen. Mit Maria zu viel unterwegs sein, sodass sie abends nicht mehr schlafen will und nur noch quengelig ist. Was denkt er eigentlich? Dass ich mich den ganzen Tag daheim einsperren soll?“
Ich denke an meine Hebamme, die uns schon im Geburtsvorbereitungskurs prophezeit hatte, uns auf Beziehungsstress einzustellen. „So ein Baby zerrt an manchen Tagen ordentlich an der Beziehung!“, hatte sie gesagt. Ganz hatte ich ihr damals nicht geglaubt.
Melli schnippelt rote Beete: „Und dann hält er mir vor, tagsüber nichts sinnvolles zu tun. In seinen Augen trinken wir nur Kaffee und tratschen. Aber dass es mit Kindern auch anstrengend ist, das kapiert er nicht!“ Wütend wirft sie die Beete-Stückchen in den Topf. „Ob mir denn nicht irgendwann langweilig würde, will er dann wissen. Denn, wenn man ihn fragt, dann würde es ihn nicht ausfüllen, den ganzen Tag nur auf Maria aufzupassen.“
Ich schüttele fassungslos den Kopf. Hacke Petersilie, während Melli stumm im Takt die rote Beete umrührt. Einige Minuten schweigen wir.
„Hast du für deinen Mann schon ein Weihnachtsgeschenk?“, will sie dann plötzlich wissen. Ich schüttele den Kopf.
„Weißt du“, rufe ich dann aus und lasse mein Messer sinken. „Ich werde ihm nichts schenken. Denn eigentlich bin ich der Meinung, dass wir unseren Männern dieses Jahr doch schon das größte Geschenk gemacht haben.“

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