Gut gelaunt hüpft sie aus dem Gebäude auf die Straßen New Yorks. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht und sie fühlt sich, als gehöre ihr die Stadt – als sie plötzlich von der Seite angerempelt wird. Ihre kleine schwarze Handtasche fällt auf den Boden, deren Inhalt zerstreut sich zwischen Passanten. Flink bückt sie sich, um Lippenstift, Rougepinsel, Mascara und Geldscheine zusammenzuklauben. Zwei fremde Hände reichen ihr die ebenfalls entschlüpften Kondome. Sie blickt auf und mustert den Helfer: dunkelhaarig, gutaussehend. Ohne Ehering. Sie lächelt ihm zu, schlägt die Augen nieder und steht auf.
„Bitte schön.“, sagt er mit angenehm tiefer Stimme. Sein Blick mustert sie.
„Vielen Dank!“ Sie lächelt ihm zu und sortiert mit der freien Hand ihre Lockenmähne.
„Jederzeit.“ Sein Mund verzieht sich zu einem schiefen Grinsen. Sie wirft ihm einen kühnen Blick zu und für einen kurzen Moment schauen sie sich in die Augen. Dann schiebt sie sich an seiner Seite vorbei und läuft weiter.
Während Carrie leichtfüßig davonstolziert, sich kurz umblickt und ihm nochmals zulächelt, winkt Mister Big ihr hinterher und kann die Augen nicht von ihr lassen.
„Du … Schatz…“, ich schlucke schwer. Wir sitzen am Abendbrot-Tisch zusammen, er geschafft von der Arbeit, ich müde von der vorausgegangenen schlafreduzierten Nacht. Minidame liegt bereits im Bett. Mein Mann blickt von seinem Teller auf und lässt die Hand mit dem Schinkenbrot sinken.
„Ich habe da jemanden …kennengelernt.“
Langsam kaut er den letzten Bissen zu Ende und betrachtet mich eingängig. Ich schaue auf das Babyfon, das mir anzeigt, dass Minidame weiterhin seelenruhig schläft. Sanftes Leuchten der grünen Batterielampe. 19 Grad Zimmertemperatur.
Mein Mann räuspert sich. „Und wo?“
Ich blicke ihn an. „Beim Babyschwimmen. Unsere Kinder sind gleich alt und mögen sich. Du wirst lachen, Minidame hat ihrem Schwimmgfährten ständig ins Gesicht gepatscht, und – naja. Wir fanden das beide sehr niedlich. So kamen wir in’s Gespräch.“
Er beißt ein weiteres Stück von seinem Schinkenbrot ab. Ich angele nach einer neuen Scheibe aus dem Brotkorb und knabbere die Körner vom Rand ab. Mir ist irgendwie nicht nach Käse. Aber Wurst… Nein. Auch nicht. Unschlüssig greife ich mir die Butter. Er schweigt.
„Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten, weißt du. Wir haben beide Pädagogik studiert und arbeiten gerne mit Kindern und Jugendlichen. Und wir interessieren uns für Literatur…“
Langsam nickt er nun und schluckt. „Ich weiß ja, du warst schon länger auf der Suche.“
Ich bin überrascht. „Das wusstest du?“
„Ja. Ach, ich sehe doch, dass dir der Alltag nicht genügend Abwechslung bietet. Und die kann ich dir zur zeit einfach nicht geben. Es tut mir leid…“
„Ist ja nicht deine Schuld!“ Ich falle ihm ins Wort.
Weiterhin grünes Leuchten. 19 Grad. Ich bin dankbar, dass Minidame so ruhig schläft. Auf meinem Butterbrot landet derweil eine Scheibe Salatgurke. Und eine Prise Salz. Ich beiße ab.
„Und was hast du nun weiter vor?“ Er setzt sein Glas an und nimmt einen großen Schluck. In seinen Augen spiegelt sich das Licht der Kerze auf dem Esstisch.
„Wir haben Nummern ausgetauscht und… werden uns auf einen Kaffee treffen. Wahrscheinlich schon nächste Woche.“
Er nickt und schaut mich liebevoll an: „Prima. Ich freue mich sehr, wenn du mal rauskommst! Wie heißt sie denn?“
„Vera. Mit ihrem Mann und ihrem Sohn wohnt sie im Bahnhofsviertel.“