Shoes

„Du, ich glaube sie ist langsam müde.“ Mein Mann betrachtet Minidame auf der Spieledecke, die sich mit letzter Energie die Augen reibt. „Ich mache sie bettfertig.“ Jawoll! – denke ich- Meine Damen und Herren – endlich Zeit für mich! – Ich freue mich  wie so oft abends darauf, alle Viere von mir zu strecken und kurz in’s Nicht-Gebraucht-Werden abzutauchen. Bettgeh-Zeit ist Papa-Zeit. Mein Mann geht also mit Minidame auf dem Arm raus in den Gang und dann in das Kinderzimmer um die Ecke, wo der Wickeltisch steht. Während er die Spieluhr aufzieht, atme ich tief durch und lasse mich begleitet von einem entfernten Somewhere over the rainbow in den Boden sinken. Ich liege auf der Krabbeldecke und das Spielsachenchaos um mich herum blende ich völlig aus, ebenso wie die dreißig Karottenflecken auf meinem Pulli und meiner Jeans. Spuren eines harten Tages. Ich bin zufrieden mit mir, weil ich es als moderne Frau geschafft habe, meinen Mann in das Baby-Umsorgen einzubinden. Ganz klare Strukturen: er wickelt jeden Abend und bringt die Kleine ins Bett. Als emanzipiertes Pärchen teilen wir uns die Aufgaben in der Zeit, die wir gemeinsam daheim verbringen, und ich freue mich, dass ich mich in diesem Punkt genauso auf ihn verlassen kann wie er…

„Schatz?“

Meine Gedanken werden jäh unterbrochen. Irgendwo aus dem Nirvana murmele ich ein „…hm?“

„Kannst du bitte das Wasser für die Flasche aufstellen?“

Ich glaube… Was hat er gesagt? „Hm?“

„Das Wasser für die Flasche – kannst du das bitte noch warm stellen?“

Ich seufze. Stöhnend rolle ich mich auf die Seite und stehe schwerfällig auf. Ich schlappe, gerade gefühlt 15kg schwerer, in die Küche und stelle das Wasser an.

„Ach, und Schatz?“

Ich, auf dem Weg zurück zur Couch, jetzt schon bestimmter: „Hm?“

„Ich hab noch vergessen, Wasser zu holen, um die Kleine zu waschen. Holst du mir welches?“

Wie ich das tagsüber immer alleine hinbekomme? Ich verkneife mir um des Friedens Willen den Kommentar. Laufe also in das Kinderzimmer. Hole das Schälchen. Laufe in die Küche. Leere es aus. Fülle es mit frischem Wasser. Laufe zurück. Stelle es an den Wickeltisch. Drehe um und will zurück ins Wohnzimmer auf die…

„Ach, du…?“

„Was?!?“ Ich drehe mich auf der Ferse rum und von der entspannten Gelassenheit fehlt meiner Körpersprache nun jede Spur.

„Meine Füße sind kalt. Holst du mir bitte noch meine Hausschuhe?“

Ich glaube – ich glaube ich höre nicht richtig.

„Bitte?!?“

„Ja, meine Hausschuhe, ich hab da schon so ein Kratzen im Hals und…“

„DEINE HAUSSCHUHE STEHEN HIER UM DIE ECKE in ZWEI METER Entfernung!!!“

„Ja, aber was soll ich dann mit der Kleinen machen, ich kann sie ja nicht alleine hier liegen lassen!“

Ja was soll ich denn dann den ganzen Tag alleine zu Hause machen?!? Achso, uns Frauen wachsen tagsüber natürlich vier zusätzliche Teleskop-Arme, mit denen wir gleichzeitig das Kind halten, Mittagessen kochen, Geschirr spülen, Wäsche waschen UND unsere Hausschuhe holen können. Bzw nein, natürlich ist das alles ganz anders, natürlich sind die Kleinen tagsüber wesentlich PFLEGELEICHTER und müssen quasi überhaupt nicht umsorgt werden, wir Mamis trinken den ganzen Tag nur Kaffee und tratschen (und schreiben Blogs). Und die Kinder liegen auf dem Boden, singen, löffeln selbstständig ihren Brei (was übrigens einem süßen Picknick auf der Decke gleicht, just so VERY adorable) und wechseln sich anschließend selbst die Windeln. Nur ABENDS wenn die armen gestressten Männer nach Hause kommen drehen sie natürlich auf und verhalten sich wie pflegeintensive Säuglinge. Diese armen, gestressten Männer – und dann haben sie noch ein Kratzen im Hals! Natürlich, mein Schatz, bringe ich dir sehr gerne deine Hausschuhe – SOLL ICH SIE DENN NOCH ANFÖHNEN?!?

Die Welt würde untergehen, wenn sich die Männer um die Babies kümmern müssten.

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