Das Bitt-Kontingent

scan352Kürzlich traf ich mich also mit meiner neuen Bekanntschaft Vera zum ersten Mami-Date. Inklusive Kindern. Exklusive Koffein. So ist das eben.
Zwischen Brei-Diskussionen und Nacht-Vergleichen verstanden wir uns prima, ein zweites Date scheint also gesichert. Und tatsächlich geht mir seither eine Sache nicht aus dem Kopf, die Vera mir anvertraute: „Irgendwie sind wir Mamis doch zu Bittstellern geworden. Findest du nicht? Denn während die Männer einfach selbstverständlich weg bleiben können, muss ich meinen Freund um Freizeit für mich bitten. Zum Frisör gehen. Kurz zum Einkaufen hüpfen. Mal in Ruhe baden gehen. Und das seltsame ist: Manchmal traue ich mich nicht, nach mehr zu fragen. Es ist, als wäre mein Bitt-Kontingent für einen Tag dann schon aufgebraucht.“
Der letzte Satz brachte mich ich in’s Grübeln. Stimmt es denn, dass wir (Vollzeit)Mamis ein Bitt-Kontingent haben? Und wenn ja, wann ist es aufgebraucht?

Ein Wochenresümee

Lotte treffe ich Freitag Abend beim Yoga. Für sie ist es das erste Mal hier, denn ihr Mann hat eigentlich um die selbe Zeit Sport. Und da er, wie sie glaubt, Angst hat, mit dem Sohn alleine zu bleiben, finde ich: Mutig von ihr, trotzdem zu kommen. „Das Handy habe ich dabei“, gesteht sie. „Aber lautlos. Und ich werde nicht draufschauen!“ …als müsste sie sich selbst noch überreden. Ich grinse heimlich. Die Yoga-Stunde beginnt mit einer Begrüßung. Doris hat Yoga-Karten dabei, die jedem von uns eine Botschaft für die Woche mitgeben. Ich ziehe eine Karte und lese: Sei uneigennützig! Ich stutze. Bin ich wohl zu egoistisch, heute mal Yoga nur für mich zu machen? Nein beschließe ich. Bin ich entspannt, ist das Baby doch auch entspannt. Ein leises Quietschen von der Matte neben mir lässt mich jedoch zu Lotte blicken. „Oh nein!“ Dann hält sie mir mit großen Augen ihre Karte entgegen. Kehre um!, steht da groß drauf. Welch fieser Wink des Schicksals, finde ich. Sie zögert kurz – und bleibt trotzdem. Legt die Karte aber ganz weit hinter sich auf den Boden. Wir beginnen, tief und ruhig zu atmen.

Montags drauf am Frühstückstisch erzählt Lotte mir dann, dass daheim alles prima geklappt hat. Fabian war ruhig geblieben, ihr Mann entspannt. Ich mache eine mentale Notiz: Abends alleine zu Yoga zu gehen scheint unser Bitt-Kontingent also zu umfassen.

Dienstag treffe ich Melli zu Kaffee und Kuchen bei uns; ich habe für uns zwei drei Kaffeestückchen gekauft und stelle fest, dass das viel zu wenig war. Natürlich. „Jetzt wo es abends länger hell ist, möchte ich wieder laufen gehen.“, berichtet Melli. „Gute Idee!“, finde ich. „Ja, aber Mirko ist wieder mal kompliziert. Er kommt jeden Tag um fünf heim. Bis er aus seinem Anzug geschält ist, wäre ich doch längst wieder da. Nur jetzt auf einmal: Ist er sich nicht mehr sicher, ob er das täglich schafft; findet er unsere Tochter anstrengend; möchte er schließlich auch mal die Füße hochlegen, wenn er heimkommt.“ „Männer!“, werfe ich ein. „Ja, echt. Ich werde es trotzdem machen. Mein Arbeitstag endet schließlich, wann seiner auch endet!“ Hm.
Zweite mentale Notiz: Einen verlässlichen Freizeitplan mit den Männern aufzustellen scheint schwierig.

Mittwoch trudelt Kirsten mit den Zwillingen vorbei. Wir gehen spazieren. „Ich bin da ganz rigoros! Unter der Woche schläft Chris im Gästebett, am Wochenende bin ich dran. Mein Schlaf ist mir heilig, und zweimal die Woche möchte ich einfach meine Ruhe haben.“ Ich überlege kurz. Seit Minidame auf der Welt ist, habe ich keine Nacht mehr – KEINE Nacht mehr – durchgeschlafen. „Das macht Chris so einfach mit?“, wundere ich mich. „Du, er hat da keine Wahl. Sind doch seine Kinder genau wie meine.“
Dritte mentale Notiz: Setzt man den Männern die Pistole auf die Brust, ist das Bitt-Kontingent also dehnbar.

Donnerstag bekomme ich eine Nachricht von Lotte: Chorkonzert am Samstag Abend um 19.30h – Lust, mitzukommen? Rasch überschlage ich meine babyfreien Pläne: Freitag wieder Yoga. Samstag zwei Stunden Spielestunde im Asylantenheim. Montag Abend Tanzstunde. Ist da ein Samstag Abend Freizeit noch drin? Ich fürchte, dass ich den Rand des Bitt-Kontingents erreicht habe. Abends spreche ich mit meinem Mann. „Tja…“, seufzt er laut. „Das musst du selbst wissen.“ Oh! Ich hasse es, wenn er das sagt. „Dann haben wir bald gar nichts mehr voneinander.“, setzt er hinterher. Cleverer Schachzug. Ich kuschele mich an ihn und denke nach. Recht hat er ja. Aber Freizeit habe ich doch nunmal auch verdient! Und das Konzert ist sicher richtig gut! …und kuscheln mit ihm ist auch toll. Und sich wenn es dunkel ist zu dritt auf die Spieledecke zu verkrümeln auch… Ach Mist. Ich seufze. Ich lasse das Konzert sein. Und spiele gerne Familie.

Vierte mentale Notiz: Das Bitt-Kontingent bestimmt doch letztlich jede von uns selbst. Denn wenn wir mal ehrlich sind: Nicht die Männer setzen die Grenze. Sondern die Grenze ist die Zeit, die wir es maximal aushalten, von unseren Liebsten fernzubleiben.

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