Der Vorführeffekt

Carrie Bradshaws Outfit ist immer perfekt. Jeder Situation angemessen, sorgfältig ausgewählt, ihre Persönlichkeit unterstreichend. Die Outfits vermitteln mir: Diese Frau bewegt sich erfolgreich und selbstsicher in ihrem Umfeld, ihr Auftreten spiegelt das New York wieder, in dem sie wohnt. Überzeugend.
Was macht mich als Mutter für Betrachter von außen überzeugend? Mein Outfit sicher nicht, der Grad an Milchflecken und Karottenspritzern kann schwerlich ein handfestes Ktiterium sein.
Ich sitze abends auf der Couch, soeben zurückgekehrt von einem Tagesbesuch bei meiner jüngeren Schwester, eine Autobahnstunde entfernt. Frustriert schaufele ich einen Joghurt in mich rein, während mein Mann unsere Minidame ins Bett bringt. Vorhin hatte er uns begrüßt mit den Worten: „Oh je, siehst du fertig aus.“ So wirke ich also auf den Betrachter von außen: Fix und fertig. Nicht überzeugend.
Und dabei ist es noch nicht mal die Tatsache, dass Minidame und ich alleine mit dem Auto unterwegs waren oder uns heute morgen sogar verfahren hatten. Auch dass ich gefühlt das halbe Auto mit Babyutensilien für einen Tag voll hatte war es nicht. Es sind diese beschissenen Erwartungen an das eigene Bild als Mutter, die man an so einem Tag einfach nicht erfüllt bekommt – und über die ich mich immer selbst ärgern muss.
Kennt diese Situationen eigentlich noch wer da draußen?

Situation 1: Das Stillen. 

Minidame hatte vor der Fahrt wenig getrunken. Wir kommen an und ich (die ich meine, mein Kind zu kennen) vermute, dass sie gleich Hunger haben wird. Ich lege sie also an, um vorbeugend dramatischen Szenen entgegenzuwirken, sie trinkt wenige Schlucke, beschwert sich dann, ist fertig. Das gleiche Bild zwei Stunden später. Das gleiche Bild vier Stunden später. Mein Kind trinkt kaum. Ich völlig verzweifelt, weil ich eigentlich weiß, dass sie Hunger hat und nicht verstehe, warum sie nicht trinken will. Presse wenige Tropfen Milch aus der Brust, halte ihr die an den Mund um sie auf dem Geschmack zu bringen. Keine Reaktion. Kritische und musternde Blicke meiner Schwester. Dann: „Hm Minidame, ich glaube du wirst heute Nacht Alpträume von Brüsten kriegen, die dich erdrücken.“
Ich stiere fassungslos Löcher in die Luft.

Not helping.

Situation 2: Das Brei-Essen. 

Ich bin ja vorbereitet, gell. Gegen Mittagszeit zaubere ich den selbstgekochten Brei aus der Tasche, der Minidame am Tag zuvor hörbar gut geschmeckt hatte. Dann eben Brei – ich freue mich drauf zu zeigen, wie gut sie das schon kann. Wenige Löffel gehen gut runter, dann: Verweigerung. Schau mal, das sind die Karotten, die es gestern schon gab. Hmmm! Ich lasse alle Überredungskünste wirken, mache abwechselnd Flieger- und Bienensummgeräusche, imitiere einen aufgesperrten Mund; von meiner Tochter werde ich allerdings nur mit fassungslosen Blicken gestraft, der MaxiCosi, in dem die sitzt, ist besprenkelt mit orangefarbenen Tupfern. Meine Schwester beäugt das ganze kritisch. Ich probiere es noch erfolglos mit Bestechung durch süßen Früchtebrei und ernte dann nur den nächsten geistreichen Kommentar: „Hm, Minidame, ich sehe das klappt ja schon prima. Dir scheint es ja so richtig zu schmecken.“

Was ist denn heute bloß los?

Situation 3: Die Konversationen.

Mein Bild von mir als Mutter zeigt eine Frau, die sich geistreich mit ihrer Rolle auseinandersetzt und dennoch auch für andere Konversationen zu haben ist. Denn ich möchte nicht, dass andere nach einem Besuch von mir  behaupten müssen: „Man wie schrecklich, über nichts anderes als Babies kann sie noch sprechen.“ Denn ich habe ja noch andere Dinge die mich bewegen. Oder?

Gegen Nachmittag des Besuchtages finde ich uns drei auf der Couch sitzend. Ich halte Minidame im Arm, die unaufhörlich quengelt, meine Schwester mir gegenüber. „Minidame, du bist ja echt süß, gell, aber langsam könntest du doch auch mal schlafen!“ Entnervtes Seufzen.

„Sorry, ich weiß grad auch nicht, was los ist…“

„Schon okay.“

Komm schon, denke ich, irgendein anderes Thema… Der neueste Kinofilm! – ach nein das hatten wir schon. Hmhm… Die neue Wohnung ist wirklich schick geworden. Maaaan, Minidame quengelt immer noch. Babyschwimmen! -ach nein, das ist wieder Babies… Das Wetter? Das…hatten wir auch schon. Und das Quengeln wird immer lauter. Meine Schwester und ich schweigen uns an.

„Du, sag‘ mal“, seufzt sie dann. „Ist das eigentlich immer so anstrengend?“

„Nein, gar nicht!“ Ich schaue sie an. „Meistens nicht.“ Ich überlege kurz. „Heute ist einfach ein blöder Tag.“

Scheiß Erwartungen immer.

 

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