B-oops

So verschieden sind unsere Themen eigentlich gar nicht – die der Damen aus Sex and the City und die von uns Müttern. Meine Schwester fasste das kürzlich in etwa so zusammen:
„Waaah!“ (Hysterisches Kichern) „Dir hängt da eine Brust aus dem Oberteil!“
Die lieben Brüste. Ich finde, dass ich vorher schon keine schlechte Beziehung zu ihnen hatte. Aber seit Minidame auf der Welt ist, bin ich meinen BH-Bewohnerinnen so nahe wie nie: täglich mehrmals stillen, oft auch ganz öffentlich; meine Brüste auszupacken ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Ja, ich stille voll. Aber nein, ich fand es nicht immer prima.

Anfangs quälte mich das Bild der Mütter, die sich nichts schöneres vorstellen können als zu stillen; weil man seinem Kind so nahe nie wieder kommt. Weil es so kuschelig ist. Und weil es das natürlichste der Welt ist.
Ich empfand das nicht so und fragte mich: Ist diese Geschichte eigentlich ein Märchen?
Ich erinnere mich zurück an den Tag, an dem wir aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Die erste Peinlichkeit passierte in der Kinderklinik, in der Minidame noch einen Herzultraschall bekam. Ich lag mit dem Oberkörper auf die Arztliege gebeugt, um meinem Kind die Hände zu halten. Der Kardiologe war fertig, ich stand auf und erblickte mit Schrecken einen riesen Flüssigkeitsfleck auf dem Ärztekrepp, dort wo zuvor mein Oberkörper gelegen hatte. Verstört tat ich so, als hätte ich ihn nicht bemerkt, presste mein Kind samt Decken an meine Brust und flüchtete aus der Klinik.
Oops.
Im Auto stellte ich fest, dass ich auslief. Mein Oberteil war durchnässt und ich hatte das Gefühl, dass Bowlingkugeln an meinem Oberkörper hängen. Bezahlten manche Frauen eigentlich wirklich Unsummen, um sich sowas anoperieren zu lassen?
Die zweite Peinlichkeit dann 15 Minuten später vor unserer Wohnung. Wir luden gerade Minidame samt Kliniktaschen aus dem Auto aus, als unsere neue Nachbarin über die Straße geschossen kam um sich vorzustellen. Es folgten endlose fünf Minuten, in denen ich mit krampfhaftem Lächeln scheinbar dem Gespräch der Nachbarin lauschte, mir aber nichts sehnlicher wünschte als im Erdboden zu verschwinden. In einer unbequemen Position stand ich über den Maxicosi gebeugt, um mit den Armen an dessen Griff den Blick auf meinen Oberkörper zu verdecken. Ich spürte, wie Tropfen meinen Bauch hinunterliefen und wie mein mittlerweile vollständig durchtränktes Oberteil rhythmisch auf meinen Bauchnabel klatschte.
Oops.
Ich fühlte mich furchtbar. Und als am Abend unerträgliche Schmerzen an meinen Brüsten dazu kamen, drückten mir die Hormone die Tränen aus den Augen. Herzlichen Glückwunsch, das ist der Milcheinschuss! Bis heute verstehe ich nicht, warum meine zwei Kolleginnen noch im Sommer gesagt hatten, dass sie beim Milcheinschuss das Gefühl hatten, es wäre Ostern und Weihnachten gleichzeitig. Mein Gefühl war eher: Wassermelonen in Zwangsjacke. Ich verfluchte mich, dass ich mir nicht gleich einen Still-BH gekauft hatte, der zwei Körbchen größer war. Und fragte mich, wie um Himmels Willen ich es schaffen sollte, mein Kind die empfohlenen minimalen sechs Wochen lang voll zu stillen…

Drei Monate später: Wir sitzen zu viert im Elterncafé. Melli fährt sich durch die kurzen, rotgefärbten Haare während Maria genüsslich an ihrer Brust nuckelt. „Ich sag‘ euch, was bin ich froh, dass das Stillen jetzt so gut klappt. Am Anfang hätte ich weinen können. Mein kleiner Vampir hier“ (schräger Blick auf Maria) „hatte mir beide Nippel zerbissen.“ Lotte nickt und streichelt Fabian, der ebenfalls seinen Hunger stillt. „Ging mir ähnlich. Man muss einfach geduldig sein. Irgendwann wird es schon besser.“ „…genau der Grund, warum ich von Anfang an nicht stillen wollte!“ Sandra schockelt einen ihrer Jungs im Arm während sie dem andren im Wagen den Schnulli festhielt. „Ich habe mir gleich nach der Entbindung die Pillen geben lassen, dass es gar nicht erst zum Milcheinschuss kommt.“ Lotte schaut sie entsetzt an. „Du stillst gar nicht?!?“ „Nein. Und mal ehrlich: ich möchte doch auch noch ich selbst bleiben. Bei allem Respekt vor den Frauen, die stillen. Ich finde allerdings, wenn es mit Flasche auch geht, dann warum nicht? Meine Brüste gehören mir! Und so können die Männer mal in die Verantwortung genommen werden! Ich habe letzte Nacht wieder durchgeschlafen; Chris hatte Fütterdienst.“ Ich blicke mich in dem Elterncafé um. Viele junge Mütter sitzen da, stillend. Einen Großteil ihrer Freiheit zum Wohle ihrer Kinder aufgebend. Ich erinnere mich: Um eine kinderfreundliche Klinik zu  werden, müssen mindestens 90 Prozent der entlassenen Mütter stillen. Die Klinik, in der ich entbunden hatte, hat das geschafft.

Auf dem Nachhauseweg läuft Melli neben mir. Sie flüstert mir leise zu:“Mal ehrlich, stillen hin oder her. Aber wenn ich ein Mann wäre, dann würde ich auch so ein Elterncafé aufmachen. Das muss doch der beste Job sein! Kochst ’ne Kanne koffeinfreien Kaffee und verteilst ein paar Muffins – und dafür siehst du den ganzen Tag: nackte Brüste!“

 

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